Greg Haines

von | Mai 10, 2013 | Archiv 2013, Reviews | 0 Kommentare

Greg Haines.
Where We Were.
Denovali Records.

hainesVon Greg Haines Debut „Slumber Tides“ bis zu diesem, seinem fünften Soloalbum ist ein sehr weiter, spannender Weg. Wer Haines anlässlich der Veröffentlichung der Compilation „Reflections On Classical Music“ 2008 live im Tresor spielen hörte, hätte sich bei dessen atmosphärischen, cellobasierten Wall-of-Sounds schwer vorstellen können, wo der junge Künstler dereinst landen würde. Während anderenorts weiterhin mit solchen angestaubten Brettern das Sackhaar gebauscht wird, hat sich Haines weg von den stark abgetrampelten Pfaden romantischer, klassisch inspirierter Kammerspielereien entfernt.

Auf „Where We Were“ lässt Haines das Streichwerk gänzlich ruhen und wendet sich der Schichtung von Synthezisern und Rythmusgeräten zu. Stilistisch sehr intelligent immer wieder von Dub zu Techno springend, baut sich das Album in Wellen auf und ab, euphorische Drumsequenzen wechseln zu langsam wegtauchenden Synthteppichen. Das ist so alles noch nichts wirklich Neues, Carl Craig und Moritz von Oswald haben mit ihrem „Recomposed“ Album diese Strecke schon abmarschiert. Haines fasst das Material aber anders, intelligenter an, die Wechsel in Stimmung und Schlagwerk wirken feiner und geschmeidiger. Hier und da klingen winzige Krautelemente Can-scher Machart durch die Stücke, die frühen Arbeiten von Tangerine Dream, von Haines sehr geschätzt, drücken seitlich in das Werk, nur um sogleich wieder von ruhigeren, weniger massiv gesättigten Passagen abgewechselt zu werden.

Der in England geborene und aufgewachsene Musiker und Komponist, der seit 2008 in Berlin lebt, hat zunächst Piano, dann Cello gelernt, was die Rückkehr zu den Tastenelementen erklären könnte. Hinzukommt ein nicht zu verdeckender Spieltrieb und die Bereitschaft den dramatischen Wechsel zwischen Himmelhoch und Zutiefstdarnieder darstellen zu wollen.  Wobei wir genau an der Sollbruchstelle emotionlaer Ehrlichkeit angekommen sind – den leider viel zu oft auftretenden,  ungewollten und schnöden Wechsel von Drama zu Kitsch. Haines scheint sich dieser Gefahr sehr wohl bewusst zu sein, schleicht er doch zu gerne und immer wieder um diesen Punkt herum, ohne jedoch in dieses dunkle Loch zu fallen. Dieses sehr sensible Vor und Zurück, ein Tasten erst, dann ein wild berauschter, hingerissener Tanz, gefolgt von Ermattung und Rückzug ist eine wunderbar feinsinnige Spiegelung menschlicher Seelenzustände, deren stetigem Sog man sich schwer entziehen kann. Der einjährige Schaffensprozess des Albums hat ein sehr reifes Werk entstehen lassen. Von den Aufnahmen improvisierter Elemente, über die Bearbeitung durch analoge Bandmaschinen bis hin zur Mischung in Nils Frahms Studio, der hier auch noch lobend erwähnt sein sollte, zieht sich ein beindruckend zwingender Faden, dessen Genuss man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

raabe