Ruprecht von Kaufmann.

von | Sep 9, 2014 | Allgemein, Archiv 2014 | 0 Kommentare

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Ruprecht von Kaufmann.
Ein Portrait.

Die unbarmherzige Treibjagd nach dem wahren Grund des Lebens und der endgültigen und unwideruflichen Definition des universellen Weltenantriebes, ist das mühevollste und zugleich unerfüllbarste Unterfangen des Menschen. Kein Schmetterling darf ungelenkt seinem flattrigen Treiben hinterherirren, kein Nahrungsmittelsack in fernem Lande hiervon unbetroffen umstürzen. Unter diesem heiligen aber gehetztem Dikat verbleibt nichts ohne Deutung, ob vordergründig tief, ob herzzerreissend flach, allem Seienden wird beflissentlich und zur allgemeinen Beruhigung ein inhaltssicheres Dach aufgezimmert.

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Nebel – Suspendiert, 2008, Öl, Wachs, Pigment auf Leinwand, 200 x 280 cm

So lässt sich annehmen, dass eine nicht zu unterschätzende Anzahl unter den Betrachtern der Werke Ruprecht von Kaufmanns ebendiesem Drang erliegen, bietet seine Bildwelt reichlich Anlass für Begriffe wie „Rätsel“, „Traum“ oder andere Unwägbarkeiten. In direktem Kontakt, der Tücke spontan krampfender Ratlosigkeit ausgesetzt, wird die wedelnde Geste nach vornehmlicher Sinnklärung zur gemeinschaftsformenden Rettungsweste. Aber warum dies? Stünde der direkte Zugang zum Verständnis des Dargestellten im klaren und eindeutigen Fokus des Schaffenden, wären seine Werke dann nicht entsprechend anders gestaltet? Deutet nicht genau diese offensichtliche Verweigerung eines erkenntnisbefütternden Fast Looks auf das eigentliche Tor, durch das man die Welt des Ruprecht von Kaufmann zu betreten habe? Verzichten wir für einen Moment auf die heilversprechenden, taubenförmigen Bratenerkenntnisse aus den Deutungsschlaraffenländern konkurierender Artisten und betreten unvoreingenommen diese seine Bühne.

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Offenbarung, 2009, Öl, Wachs, Pigment auf Leinwand, 170 x 140 cm

Erhängt der König den Narren muss er um sein eigenes Ende bangen. Im hier und jetzt wagt nur der Schellenmann des Herrschers Macht kritisch zu umtanzen. So bildet ihr Spiel ein sich bedingendes Paar. Der Wirkradius des listigen Vertreters bespassender Zunft hingegen ist nur von kurzer Leine. Zu süsslich die Lockung, zu salzig der Hohn und aus ists mit dem Irrwitz unter bimmelnder Haube. Die klug gewirkte Schlinge aus Humor, Ironie und Spott muss locker um den Hals gelegt werden. Genau hier trifft Komödie auf Tragödie und genau hier, im grauen Halbdunkel der Unentscheidbarkeit zwischen Lachen oder Weinen zieht Ruprecht von Kaufmann seine fragile, artistische Bühne auf.

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Das Atelier, 8 Jahre aus meinem Leben als Herr Lampe, 2009, Öl, Wachs, Pigment auf Leinwand, 220 x 560 cm

König und Narr, bei den Griechen beliebt, von Shakespeare verfeinert, durch alle Zeiten und Medien windet sich der feine Hauch des Dramas um Bestand und Fluss. Der verwehenden Spur dieser ewiglichen Rauferei aufmerksam nachspürend, räubert der Künstler in behender Feinfingrigkeit die Elemente für seine eigene Fassung dieses Epos‘ zusammen. Ob geschickt stibitzt aus klassischer Kunst, der Moderne oder Comics hier, oder unerkannt entwendet bei Literatur, Theater, oder Film dort, Ruprecht von Kaufmann wirft brillant kollagierend Fundstück um Fundstück in seinen Malraum. Die schwebende, fallende, stürzende Figur wird so tragendes Element Kaufmannscher Motivfindung. Ob auf uns zu oder von uns weg, über oder unter uns, des Künstlers Menschendarstellung treibt dahin in bodenlosem Niemandsland. Die Manege ist nach allen Seiten hin weit geöffnet und unermüdlich die Szene umkreisend, legt der Maler mit leichter Hand seine erzählerischen Bildausschnitte fest.

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The trick is to keep breathing und state of flux pt. 01, 2013, Öl und Acryl auf Leinwand, 220 x 180 cm

Damit uns die Identifizierung der um uns treibenden Sachwerte nicht allzu tölpelhaft an die Hirnlappen dengelt, drückt von Kaufmann ab und an lässig auf die Nebelmaschine und klopft, hinter wabernd, verbergender Dunstwand emsig weiter, unseren sorgsamst gehorteten Erinnerungsschatz ab. So nimmt es dann bei des Künstlers kunstfertig zelebriertem Taschenspielerkapital auch kein Wunder dass er vor der Darstellung des bitteren Fanals zurückweicht. Die letzte Szene lässt er aus, wohl wissend um des Publikums Zwang zur Geschichtsvollendung, zur inneren Fertigschreibung, komme was da wolle.

Dabei hat Ruprecht von Kaufmann uns mehrfach unter verschiedentlichen Kappen tappend um uns selbst gedreht und schlimm die Orientierung genommen. Dass er uns dabei kalt lächend gegen unsere eigenen, beschränkenden Wände anrennen lässt, scheint ihm nicht unbekannt. Der Künstler ist ein ruhiger Mensch. Er hat Zeit. Auch diese blutige Nase wird er irgendwann verwenden. Irgendwann und ohne dass wir dieses bemerken.

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Der Schornsteinfeger fällt am Fenster vorbei, 2014, Öl, Acryl und Collage auf Linoleum, 165 x 200 cm

Interview.

Raa – Ruprecht, aufreizen aber nicht anfassen lassen, hochpuschen aber nicht einlösen. Was ist los mit der zeitgenössischen Kunst?

RvK – Nichts… ist vielleicht die zynische und knappe Antwort. Gute Künstler gibt es wie eh und je. Die Hofnarren singen und tanzen noch und versuchen ihre langen Füsse unbequem in den Weg zu strecken. Nur haben die Könige der Welt sie entweder in goldene Schachteln verbannt, wo sie in opportunen Momenten einem staunenden Publikum vorgeführt werden, als „Freizügigkeits“ Trophäen der Meister des Geldes, oder man lässt sie einfach an der langen Hand verhungern. Kunst schaffen und Kunst vermarkten, ebenso wie Atelier und Kunstmarkt, haben sich immer mehr von einander entfernt und zwingen den Künstler in die unangenehme Position des Berufsschizophrenen, wenn er versucht sich in diesen beiden Welten zu bewegen.

Raa – Deine Arbeiten sind voller Bildzitate. Gibt es dennoch Vorbilder die zwischen deinen vielfältigen Welten namentlich herausragen?

RvK – Ich denke ich habe einen sehr eklektischen Geschmack. Ich habe sehr viele, sehr unterschiedliche Vorbilder. Das reicht von Velasquez über Goya zu Rothko. Der größte Teil meiner Inspiration aber kommt eigentlich von Schriftstellern und Musikern. Texte von Salman Rushdie oder Jonathan Lethem oder die Liedtexte von Tom Waits sind für mich sehr wichtige Quellen. Oft sind es nur zwei, drei Worte, die ganze Bilderlawinen in meinem Kopf lostreten.

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Fabel, 2014, Öl und Acryl auf Leinwand, 210 x 800 cm

Raa – Die Einleitung hat sich nur mit deinen Bildmotiven beschäftigt. Was hat dich dazu gebracht neben Leinwand auch Gummi, Seide und Linoleum als Träger zu benutzen?

RvK – Ich habe Bilder immer sehr stark auch als Objekte empfunden, die sich von der Wand abheben und nicht nur einen Bildraum öffnen, sondern auch in Dialog mit dem Raum in dem sie hängen, treten. Dies kann bei Malerei auf Leinwand über die Struktur der Leinwand, den Farbauftrag oder die Texturen, die die Pinsel auf der Leinwand hinterlassen, geschehen. An klassischen Leinwandbildern aber hat mich immer gestört, dass selbst bei sehr bewegtem Bildmotiv der Betrachter sich kaum vor dem Bild hin und her bewegt. Dieser nimmt den scheinbar idealen Standpunkt ein und verweilt dort. Bestenfalls kann man durch kleinere Details eine Vor- und Zurückbewegung stimulieren. der Blickwinkel ist aber eindeutig. Dieser zu eindeutige Blickwinkel aber verleitet auch zu einer zu eindeutigen Bedeutungsebene. Deshalb lasse ich die Bildoberfläche, den Bildträger selbst zur Skulptur werden. Damit sind immer gewisse Teile des Bildes so verzerrt, das der Betrachter gezwungen wird sich vor dem Bild hin und her zu bewegen um die Gesamtheit des Bildes erfassen zu können. Im Wechsel zwischen Detail und Gesamtüberblick entsteht die Komposition. Dies reflektiert unsere Lebenserfahrung, die Art wie wir die Welt wahrnehmen sehr viel besser als die flache Leinwand.

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Äquator – Mittsommer, 2010, Acryl auf Filz, 180 x 500 cm

Raa – Die zweidimensionale Bildillusion ist dir schlichtweg zu einfach? Aber da steckt doch noch mehr dahinter…

RvK – Ich interessiere mich sehr für Malerei an sich. In den letzten Jahrenzehnten war man als Maler immer gezwungen entweder narrativ zu arbeiten, damit aber die Malerei der Moderene zu negieren, oder umgekehrt. Dadurch haben sich Maler in zwei Lager gespalten, dazwischen liegt ein mit viel Stacheldraht gesichertes Niemandsland. Gerade dieses lange brach Liegende fasziniert mich. Es birgt unendlich viele Möglichkeiten für einen Künstler, der erstens dumm genug ist, sich mit Malerei zu befassen und zweitens sich weder dem einen noch dem anderen Lager anschliessen will. Ich finde nicht dass die formalen Aspekte einer Komposition sich zwangsläufig einem Narrativ unterordnen müssen. Die beiden können durchaus zusammen in einer Komposition in einen sehr konstruktiven Dialog treten, und sich sogar gegenseitig bestärken.

Mit einem Bild etwas erzählen zu wollen, schliesst nicht zwangsläufig aus, sich mit Malerei und Farbe als reiner Materie auseinander zu setzten. Text und Komposition schwächen sich in der Musik ja auch nicht. Im Gegenteil, die Melodie kann den Text, das gesungene Wort, in seiner Bedeutung entscheidend verändern. Ebenso kann die Melodie den mit ihr verwobenen Text bereichern. Das Gleiche gilt für die Malerei. Das narrative Elemente ergänzt das pure Material der Malerei um einen weitereren Zugang. Ich finde Malerei darf ruhig emotional sein, emotionale Intelligenz sollte nicht unterschätzt werden.

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ohne Titel, 2014, Öl, Acryl und Collage auf Linoleum, 165 x 200 cm

http://rvonkaufmann.com/

Aktuelle Arbeiten von Ruprecht von Kaufmann sind zu sehen in der Gruppenausstellung:
Michael Just – Manuela Kasemir – Ruprecht von Kaufmann
EIGEN + ART Lab,  Auguststrasse 11 – 13, 10117 Berlin

Die Eröffnung ist am Donnerstag, den 11. September 2014, 17 – 21 Uhr.

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