Rewind: Klassiker, neu gehört
Max Richter – 24 Postcards In Full Colour (2008)
Das Filter – Gespräch: Thaddeus Herrmann, Martin Raabenstein – 05.11.2018
Es gab eine Zeit, in der war Max Richter noch indie. Damals schrubbte der britische Komponist nicht Soundtrack nach Soundtrack, sondern war vielmehr dabei, seine musikalischen Ideen Schritt für Schritt und sehr sachte zu entwickeln – auf „130701“, einem kleinen Sublabel des Techno-Imperiums „FatCat“. Und beschäftigte sich mit den Dingen, die damals eben Thema waren – Klingeltöne zum Beispiel. Sein Album „24 Postcards In Full Colour“ war die Antwort auf Abzocker-Abos von Jamba und Co. 24 kurze Snapshots, mit denen bimmelnde Telefonen ihre plärrende Würde wiedererlangen sollten. Zehn Jahre später vereinbaren Raabenstein und Herrmann erst telefonisch einen Termin, klären, wer von den beiden nun Mozart und wer Bach ist und lassen es klingeln. Also laufen. Jóhann Jóhannsson hört auch irgendwie zu. Aber das ist bei Max Richter ja nun wirklich keine Überraschung.
Martin Raabenstein: Du sagst, du kommst in das Album nicht so richtig rein. Warum?
Thaddeus Herrmann: Das ist der dann doch recht speziellen Form geschuldet. Es ist ja kein Album im herkömmlichen Sinn. Dass wir beide uns nochmal über Klingeltöne unterhalten würden … toll!
Martin: Dieses Nicht-Album ist aber ein eindeutiger Richter. Mit allem was den Max sonst so ausmacht. Möglicherweise ist genau hier, in der Verknappung, des Komponisten wahre Seele zu spüren?
Thaddeus: Ein absolut eindeutiger Richter, gar keine Frage. Und natürlich schon ein Album, nur eines, das für mich nicht als solches funktioniert. Und von Richter – glaube ich – auch nicht so gedacht ist. Denn es ist ja tatsächlich seine Auseinandersetzung mit dem Thema Klingelton – 2008 war das ein großes Thema auf den Telefonen da draußen. 24 kurze – sehr kurze Stücke, Ideen, Skizzen. Hier spielt die Reihenfolge keine Rolle, am besten hört man das im Shuffle-Modus oder sucht sich seine Lieblinge raus, lädt sie sich auf das Telefon und hofft, ganz viele SMS oder Anrufe zu bekommen. Für einen Komponisten schon ein interessanter Schritt. Ich mag das. Weil: Wenn man es einfach durchhört, wird man ja immer wieder rausgeworfen. Um in der Metapher zu bleiben: Es ist ein einziger Verbindungsabbruch. Es gibt so gut wie keine Blenden, Stücke fangen an, hören drastisch und radikal auf, Pausen zwischen den Tracks scheinen willkürlich. Man hüpft von Pfütze zu Pfütze.