Rewind: Klassiker, neu gehört – Front 242 – Front By Front (1988)

Rewind: Klassiker, neu gehört
Front 242 – Front By Front (1988)

Das Filter – Gespräch: Thaddeus Herrmann, Martin Raabenstein – 30.07.2018

Wenn es um den stampfenden Maschinen-Beat der Prä-Techno-Ära geht, sind Front 242 ausgemachte Helden. Daniel Bressanutti und Dirk Bergen gründeten die Band 1981 in Belgien – als Patrick Codenys, Sänger Jean-Luc De Meyer und der MC Richard Jonckheere aka Richard 23 dazu stießen, rollte die EBM-Welle unaufhörlich auf Erfolgskurs. Diese „Electronic Body Music“ florierte nicht nur, aber vor allem in Belgien – auf einigen wenigen Labels wurden in den 1980er-Jahren die stilprägenden Platten ebenso stilprägender Bands veröffentlicht. 1988 – als „Front By Front“ erschien, war EBM schon global gelebte musikalische Ausdrucksform. Ein Sound, der aber auch Gefahr lief, vom Techno absorbiert zu werden. Dem Sound aus Detroit hatten Front 242, Skinny Puppy, à;GRUMH… und Nitzer Ebb nur wenig bzw. das Falsche entgegen zu setzen. Die Szenen begannen zu verschmelzen und sich abzulösen. 1988 hingegen gingen Front 242 noch steil: Mit ihrem vierten Album legten die Belgier einen Sound-Entwurf vor, der in der Vergangenheit, der Gegenwart und der versprochenen Zukunft verankert war. Straffe Beats, erstaunliches Songwriting und immer noch ein Händchen für Sampling retteten dieses Album problemlos über die Ziellinie des guten Geschmacks all derer, die die Revolution des 4/4-Geschäfts noch nicht wahrhaben wollten. Und heute? 30 Jahre später ziehen Martin Raabenstein und Thaddeus Herrmann ihre Tarnwesten über, werfen ihre Netze aus und suchen nach dem „Headhunter“ des guten Geschmacks.

Martin Raabenstein: Sieht man von den deutschen Projekten D.A.F, Einstürzende Neubauten und Die Krupps Anfang der Achtziger mal ab, hat Kontinentaleuropa Mitte dieses Jahrzehntes nur noch wenig auf der elektronischen Pfanne. Front 242 waren die Letzten, die noch erfolgreich und innovativ den von Ralf Hütter geprägten Terminus Electronic Body Music hoch über ihren Köpfen schwenkten. Mit dem Track „Headhunter“ von „Front By Front“ turnten die Belgier sogar in den US Billboard Charts ziemlich weit oben. Wie erklärt sich dieses Alleinstellungsphänomen?

Thaddeus Herrmann: Dem stimme ich schon mal überhaupt nicht zu. Die „elektronische Pfanne“ brutzelte – um mal im Bild zu bleiben – heftigst. Die letzten waren sie also sicher nicht. Aber das gesamte Genre der EBM war zu diesem Zeitpunkt, also 1988, dabei sich zu wandeln. Front 242 waren zu diesem Zeitpunkt ja schon lange aktiv und schwammen im Strom der belgischen Bands und Projekte mit, waren dabei aber wahrscheinlich die Erfolgreichsten. Ich finde das Album interessant, weil es diesen Umbruch in ihrem Sound so explizit herausstellt. Tracks wie „Headhunter“ oder „Circling Overland“ sind ganz klassisch 242 – „Headhunter“ dazu noch der vielleicht größte Hit der Gruppe, was nicht zuletzt auch auf das Eier-Video von Anton Corbijn zurückzuführen ist. Gleichzeitig hört man hier aber zum ersten Mal wirklich den Techno heraus. Da spielt der New-Beat-Einfluss mit rein. Hier vermischten sich Szenen. Es wurde also technoider. Und das – ganz ehrlich – fand ich immer schwierig. Weil es zumindest auf Platte für mich nicht so recht funktionierte. Ganz anders als live. Warum ging „Headhunter“ nun so durch die Decke? Erstens: guter Song. Zweitens: Die Band hat sich das ja auch erpinselt – mit Tracks wie „Quite Unusual“ oder „Masterhit“ im Jahr davor und endloses Touren. Details »