Shlohmo

Shlohmo.
Shlo-fi.
Error Broadcast.

Der Re-release des 2009er Tapes des damilg 17jährigen Henry Laufer aka Shlohmo ist ein weirdes, unbehauenes Beatgestein und Blueprint seiner seitdem auf allen Playern geisternden Soundattacken. Das Mini-Album in der 2 x 12″ Version ist ergänzt mit Remixen von Anenon, S.Mharba, Wanda Group (ehemals Dem Hunger, Jameszoo und dem fantastischen Soosh. Wem das intelligente Schaben an der verzweifelten Trommel samt ambitioniertem Sounddesign ein Anliegen ist, sollte sich durch das ursprüngliche Releasedate nicht täuschen lassen. Hier spricht Grösse und von all dem was da noch so kommen mag.

Robert Haigh

Robert Haigh.
Strange And Secret Things.
Siren.

Dritter Release der Piano Solo Trilogie von Robert Haigh auf dem japanischen Imprint Siren.
Wer gerne, von Saties Piano Woks ausgehend, einem wahrlich inspirierten Nachfolger auf die Spur kommen möchte, sei dies, bei allen überstrapazierten satieesken Spielereien der letzten Jahre wärmstens ans Herz gelegt. „Strange And Secret Things“ beinhaltet sehr emotionale und pointiert bilderreich gesetzte Improvisationen – Haigh scheut sich nicht, klischeegefährdete Untiefen der stark in unser Unterbewusstes eingedrungenen Kompositionen neuer französischer Klaviermusik des verehrten Originales zu durchwaten, um mit irritierender Leichtigkeit, ganz im Sinne des satieschen Nouveau Esprit, in eigenen Sphären zu landen. Überraschung und Wirkung, so die Aussage Saties, sei die Wiederaufnahme klassischer Formgestaltung vom Standpunkt eines modernen Kunstbegriffes. So fährt die Zeitschiene auf bezaubernde Weise vor und zurück, ganz so wie es sein sollte. Die beiden ersten Teile der Trilogie sind unter dem Moniker SEMA auf des Künstlers eigenem Label Le Rey Records zu erwerben.

Jacaszek

Jacaszek.
Glimmer.
Ghostly International.

Nicht nur seit ihrer beeindruckenden „Kompilation SMM: Context“ äugt das amerikanische Label Ghostly über den au courant elektronischen Produktionstellerrand hinaus, der polnische Komponist Jacaszek scheint bei dieser näheren Betrachtung beim Label mehr als nur einen One Track Stand hingelegt zu haben und wird nun dort mit dem Album „Glimmer“ releast. Die Art und Weise wie der Artist osteuropäische Einflüsse in zeitgenössische Dark Ambient Teppiche einwebt, wie er Klarinetten, Gitaren und Streicher um seine verhallten Dubräume wickelt, die obsoleten Vinylkratzer seien hier auch nicht unerwähnt, macht schwelgen, schweben oder was auch immer man macht, wenn einen etwas berührt und/oder beflügelt. Bei all der scheinbar tiefgreifenden, vertraut scheinenden Schwere der angerissenen musikalischen Themen gelingt es dem Artist, dem Hörer immer einen Takt voraus, durch all die dunklen Gassen und Winkel zu führen und ihm zu guter Letzt in einer warmen Gaststube zu Speis und Getränk zu laden. Wundersame Zeitreise, gleichzeitig im Hier und sehr, sehr weit weg in der Vergangenheit.

Fennesz + Sakamoto

Fennesz + Sakamoto.
Flumina.
Touch.

Ein mir befreundeter Kritiker hat mir mal geraten, sollte ich mit einem Release nichts anfangen können, mich in die Welt derer hineinzuversetzen, die diese Arbeit mögen. Jetzt gibt es sehr wohl Momente, und von denen gibt es einige, in denen ich mit diesem lyrischen, pianogestützten Ambient sehr wohl in meine innersten Tiefen steigen kann. Betrachte ich mir also ernsthaft meine aneinandergereihten Meter an Vinyl dieser Gattung, inklusive der Releses der beiden mir sehr wohl wertvollen Meister auf diesem Album „Flumina“, so kann ich mich des bitteren Eindrucks nicht erwehren, dass ich entweder schon genug davon (im positiven Sinne) habe – oder hier einfach ein Stillstand in die Ritze gepresst ist. Andererseits dreht sich mein Player auch immer nur im Kreis. Wers also mag…

Burnt Friedman

Burnt Friedman.
Bokoboko.
Nonplace.

Seit seiner Zusammenarbeit mit Jaki Liebezeit möchte Burnt Friedman der elektronisch produzierten Klangwelt ein tatsächlich eingespieltes Produktionsmodell gegenüberstellen, um deren inhärente Künstlichkeit zu entlarven, so der Künstler. Das klingt nach einem missionarischen Bedürfnis, dem man so nicht ganz unvoreingenommen, aber gerade in Kenntnis Friedmans Werk gerne folgen möchte. Darüberhinaus sieht der Musiker und Produzent die Form der zehn hier vertretenen Tracks nicht als abgeschlossen, im Prozess also. Das machen andere Künstler auch gerne, Fennesz zum Beispiel. Nun gut, lauschen wir also der Musik. Der Artist gräbt sich tief in die deutsche Krautgeschichte, Can, Cluster und die frühen Kraftwerk werden erwähnt, und hier setzt genau der Punkt ein, wo der Kopf zu schwer und die Eier unsichtbar werden. Das trömmelt und klöpfelt so unbeschwert trist daher dass man sich ernsthaft fragen muss, ob die oben erwähnten Musiker durch eine Zeitmaschine in die Jetztzeit versetzt und mit den aktuellen elektronischen Produktionsmitteln konfrontiert, sich nicht lieber euphorisch auf diese stürzen und sie mit Leidenschaft durchdringen würden, genau so wie sie es mit den Mitteln ihrer Zeit auch damals schon getan haben. Womit wir erneut beim Kopf und dessen möglichen unendlichen Irrungen und Wirrungen wären.

Teebs

Teebs.
Collections 01.
Brainfeeder.

Wiewohl Teebs die hier auf „Collection 01“ vorliegenden Tracks als Skizzen und Experimente ausweist, stehen sie in Ausführung und produktionstechnischer Qualität seinem Albumdebüt „Ardour“ in keinster Weise nach. Über seinen brainfeedertypischen flylo Beats gestaltet der 23jährige seine traumwolkigen Konstruktionen locker und jazzy fluffig, die sparsam eingefügte Harfinistin Rebekah Raff rundet hier das musikalische Kissen dezent streichelnd ab. Irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los dass sich Lounge Music, in neunem Gewand und nicht ganz unangenehm, wieder in die Räume schleichen darf.

Son Lux

Son Lux.
We Are Rising.
Anticon.

Son Lux‘ zweiter Longplayer für Anticon verzaubert mit seinem an Russell Mael / Sparks erinnernden Gesangsstil und einer scheinbar ebenfalls an deren Sounduniversum
angelehnten Klangpalette. Zweiteres ist nicht verwunderlich, hat doch Sufjan Stevens seine Finger mit in der Produktion, dessen Modern Classical Symphoniesplitter deutlich zwischen den Rillen empordrücken. Der aus Denver stammende Ryan Lott aka Son Lux arrangiert auf spannende Weise Songwriting mit klassischer Instrumentation und au courant Elektronik, seinen mitunter sehr barock ausblühenden Kompositionen dampft im positiven Sinne blanker Authismus aus den Rippen, wobei wir wieder bei den Mael Brüdern angelangt sind. Wem der Begriff weird nicht einen Pullerfleck macht, sei dies wärmstens ans Herz gelegt.

Oneohtrix Point Never

Oneohtrix Point Never.
Replica.
Software.

„Noise can be sculpted down to pop, pop can be sculpted down to noise“.
Der aus der Brooklyn Noise Scene stammende Daniel Lopatin aka Oneohtrix Point Never veröffentlich auf seinem Label Software ein Album, ein Werk, dessen genreübergreifende Finesse staunen macht. Nichts scheint dem philosophisch stark durchdrungenen Artist zu unantastbar, um es nicht durch seinen brillanten Schredder zu drücken. 70er Cosmic Trance, 80er New Age und 90er Drone werden zu einem gebrochenen, gehetzten Loopgemenge verschmolzen, das es in der Form, nur mit anderen Ingridenzien selten, etwa bei einigen Prefuse 73 Tracks zu hören gab. Heraus kommt ein fast hysterischer, im richtigen Moment in sich brechender, sich ständig im Fluss befindlicher Soundtrack, der die gängigen „cinematic“ Floskeln seiner Zeitgenossen dezent aber zielsicher ins Knie schiesst.
Lopatin kommt nicht mit der an Filmbilder erinnernden Zartfühligkeit aktueller Produktionen daher, er erschiesst dich mit einem aus seiner Pumpgun abgefeuerten Flut winziger Zelluloidfragmente. Der Hörer träumt sich nicht in einen kuscheligen Score, er erliegt wohlig ermattet dem Schrapnellgewitter. So ist das Eingangszitat nicht eine schlapp an der Fahne hängende, wunschverzehrte Worttändelei, sondern zu eine straff im Wind wehende Kampfansage. Grosse, sehr grosse Kunst.

Leyland Kirby

Leyland Kirby.
Intrigue & Stuff Vol.3.
History Always Favours The Winners.

Mittlerweile in Berlin ansässig bringt Leyland Kirby aka The Caretaker die dritte Ausgabe seiner „Intrigue & Stuff“ Reihe heraus. Es bedarf schon eines gestandenen Egos, die Wellen einer enthusiasmierten Öffentlichkeit zu ertragen, die Kirby mit seinen Caretaker Releasen und deren klaustrophobischen 78er Schellackverwerfungen ausgelöst hat. Kirby zieht sich hier geschickt aus der Affäre und veroffentlicht nun unter bürgerlichem Namen seine nicht auf knisterndem Altmaterial basierenden Bastelorgien. Die Machart ist ähnlich, die eingesetzten musikalischen Versatzstücke ganz anders, kreischende, stolpernde, verendende Maschinengesänge jagen sich treibend zum Erguss. Schwierig wird es wenn Kirby auf die Drumtastatur drückt, dann verblasst der mattschwarz saugende Glanz des geordneten Chaos zu einem merkwürdig hilflosen 80er Jamsession Wust. Vielleicht sollte sich der Artist hier jemanden ins Boot holen, der das besser kann.

James Blake

James Blake.
Enough Thunder.
Atlas Recordings.

The higher they climp, the harder they fall. Es gibt ja nicht wenige die dem Spiegel Feuilleton Liebling gar nicht erst das Zepter in die Hand geben wollten, für die ist dieser Spruch obsolet, liegt Blake doch seit seinem Debutalbum ohnehin schon in deren Restekiste. Für alle anderen, denen der Artist die Knöpfe an der richtigen Stelle gedrückt hat, ist „Enough Thunder“ keine Verlängerung sinnlicher Freuden, die Spielwiese wirkt herbstlich und abgegrast, mit einer Ausnahme – „Not Long Now“. Eine Schwalbe macht aber noch keinen Frühling, jetzt wird es erstmal Winter für James Blake und der wird wohl eher hart.

Brian Eno

Brian Eno.
Panic Of Looking.
Warp Records.

Extrem reduzierte, und an seine herausragenden Arbeiten aus den späten Siebzigern und frühen Achzigern anknüpfende EP des Elektronikpioniers und Ambient Granden Brian Eno. Die fast stoisch vorgetragene Lyrik des Dichters Rick Holland gleitet abgehoben über der musikalisch minimalen Landschaft, ab und an vom Meister stimmlich unterlegt. Spoken Poetry, eigentlich schon seit einere Weile totgesagt, erhält eine nicht mehr neue, hier aber durchaus anziehende Version. Wer Eno’s Werk in den letzten Jahren nicht so richtig goutieren konnte, dem ist hier ein Ansatz zu alter Grösse gegeben.

Balam Acab

Balam Acab.
Wander / Wonder.
Tri Angle.

Manchmal ist es ein Fluch zu klingen wie der derzeit gängige Avant-Pop, nicht aber so in diesem Fall. Der stark im R’n’B verwurzelte Balam Acab dreht aus seinen Roots ein eigensinniges, schillerndes Gewächs aus fragmentierten Songstrukturen, choralen Vokalelementen, dezent gebrochenen Beats und intelligent gesetzten, tränenlockenden Samples. Nach dem allerorten lauten Aufschrei über Acabs „See Birds“ EP im letzten Jahr
kommt der Herr mit einem ausgereiften, mitunter nicht ganz kitschfreien Debütalbum auf den Player, deren zielsicher vermengter, musikalischer Bandbreite man schwer entkommen kann. Es wird nicht mehr lange dauern bis diese auch hier verwendeten hochgepitchten Vokalschnipsel ein absolutes NoNo sind, hier aber sind sie noch frisch und im Kontext stimmig.

Yves De Mey

Yves De Mey.
Counting Triggers.
Sandwell District.

Das gänzlich ohne Netzpräsenz auskommende Technolabel Sandwell District, auf den Releasen befindet sich gerade mal eine Faxnummer, kommt mit einer Doppel 12″ des Belgiers Yves De Mey auf den Markt, Kennern möglicherweise bekannt durch seine Veröffentlichungen auf Line und Knobsounds. Der sehr minimal daherschleichende Sound De Meys könnte durchaus ein Raster Noton Produkt sein, die Machart ähnelt den Projekten Carsten Nicolais, bewegt sich aber in einer spielerisch leichtfüssigeren und weniger streng durchkonzipierten Gangart. „Counting Triggers“ ist nicht nur Liebhabern minimalistischer Bewegung ans Herz gelegt, wiewohl es das Label ein wenig schwer macht an diesen Release zu kommen. Einer der Köpfe hinter Sandwell District, der amerikanische DJ und Produzent Dave Sumner aka Function erklärt die Underground Haltung seiners Labels mit der völligen Übersschwemmung des Marktes mit Promotions- und Marketingtiraden. Recht hat er, und folgt bewusst oder unterbewusst einer langen, die Anonymität nutzenden Veröffentlichungsstrategie.

Xela

Xela.
The Sublime.
Dekorder.

Nach „The Illuminated“ und „The Divine“ schliesst John Twells aka Xela seine musikalische Trilogie mit dem Album „The Sublime“ ab. Ursprünglich als Cassetten auf Digitalis releast und nun auf Vinyl erhältlich, zieht der Artist seine Bahn mit analogen Synthdrones entlang wohlbekannter Genregrössen, der frühe Aphex Twin sei hier nur als ein Beispiel genannt. Die sich langsam entfaltenden, düsteren Scapes lassen sehr subtil die verstärkte Leidenschaft des Type Masterminds Twells für Horrorfilm-Soundtracks  durchscheinen. „The Sublime“ setzt dabei weniger auf den offensichtlichen Paukenschlag, im Gegenteil, seine nervenbahnschindenden Konstrukte ziehen den Thrill zu zwei gebälkknirschenden Langzeitbehandlungen im zwanzig Minuten Bereich – der Hörer wird kunstvoll und stetig enger umwickelt. Alles ist endlich, so die These. Zusammen mit den beiden Vorgängeralben erschafft Twells hier auf eindrückliche Weise dazu den möglichen Soundtrack.

Steve Reich

Steve Reich.
Wtc 9/11.
Nonesuch.

Anlässlich des zehnten Jahrestages der Zerstörung des World Trade Centers gab das Kronos Quartet dem Minimal Music Komponisten Steve Reich den Auftrag ein Werk zu kreieren. Vollendet im Jahre 2010, ist die dreiteilige Komposition nun von dem Streichquartett interpretiert auf diesem Release zu hören. Reich’s Appartement befand sich gerade vier Blocks vom Ort des Anschlages entfernt, dementsprechend mischt er neben den damals mitgeschnittenen Notrufen der New Yorker Feuerwehrmänner und dem Funkverkehr der Flugtlotsen auch Wortbeiträge von Freunden und ehemaligen Nachbarn unter die Arbeit. Musikalisch bewegt sich hier alles in wohlbekanntem und durch die Verleihung des Pulitzer Preises für Musik an Reich im Jahre 2009 honoriertem Rahmen, der mittlerweile 75jährige bleibt sich selbst und seinem Stil treu. Ebenfalls auf der CD verteten sind die von der So- Percussion beauftragte Produktion „Mallet Quartet“ aus dem Jahre 2009 sowie Reichs Beitrag für den Film „Counter Phases“ der Choreographin Anne Teresa de Keersmaeker, dieser wiederum beauftragt und unter anderm aufgeführt vom belgischen Ictus Ensemble. Damit man die Herren auch live die Bögen streichen sehen kann, liegt darüberhinaus auch noch eine Live Performance des „Mallet Quartet“s als DVD bei. Was will man mehr?

Simon Scott

Simon Scott.
Bunny.
Miasmah.

Simon Scott’s zweiter Longplayer für Miasmah drängelt, nein kuschelt sich vordergründig zwischen Space Rock, Shoegaze und unaufgeregter, elektronischer Werkelei. Dazu lässt der ehemalige Slowdrive Drummer hier und da kundig Badalamenti Flimmer einfliessen und rundet so das Ganze zu einem vermeindlich warmen, beizeiten aber mit dräuender Schwermut durchdrungenem Hörwerk ab. Dieses Wechselbad zwischen dem immer wieder durchschimmerndem Traum von einem Happy End und wellenartig darübergeworfenen lynch’schen Schleiern erzeugen ein Bild sisyphosartigen Aufbäumens und Scheiterns. Scott, der den miasmahtypischen Abyss nur bis zur Hälfte abtaucht und sich dort durchaus hörenswert einen Platz zurechtmacht, erreicht nach mehrmaligen Hören seines Albums „Bunny“  eine sehr interessante Erweiterung der musikalischen Ränder des Labels.

Peter Broderick

Peter Broderick.
Music For Confluence.
Erased Tapes.

Broderick’s Karriere als Komponist und Musiker weist ansehnlich steil nach oben. Gerade nach Beendigung seiner Kollaboration mit dem Hollywood Granden Clint Mansell für den Soundtrack zu dem Film „Last Night“ erscheint sein neuestes Werk „Music For Confluence“ auf Erased Tapes. Auch dieses Album ist eine Auftragsarbeit für einen Film, diesmal eine Dokumentation über das mysteriöse Verschwinden junger Mädchen in Lewiston/Idaho rund um das Jahr 1980. Broderick, der unweit dieses Ortes aufgewachsen ist, schloss sich in den letzten Monaten des Jahres 2010 in einem Berliner Klavierladen ein, den er nach Geschäftsschluss nutzen konnte. Die spürbare Einsamkeit des nächlich verlassenen, von einem harten Winter umschlichenen Aufnahmeortes und das bedrückende Thema der Kompositionen ergeben ein dichtes, entgegen den ansonsten eher freudig erregten und offenen Arbeiten Brodericks, schwer lastendes, unentrinnbares Album. Beeindruckend still und …schön, wenn man nur den Anlass vergessen könnte.

Mike Weis

Mike Weis.
Loop Current / Raft.
Barge Recordings.

Wenn ein Drummer sich an sein mit Liebe gesammeltes und sorgsam gehütetes Asservat an Schlagwerk macht, um damit ein Dark Ambient / Drone Album aufzunehmen, sollte man nicht bis Drei warten um sich in Luft aufzulösen. Nicht so bei dem in Chicago beheimateten Stöckeschwinger von Zelienople, der auch unter anderem bei The North Sea, Xela und Jasper TX die Trommel rührt. Weis baut ein sorgsam gelayertes, mit wenigen, fein eingefügten Field Recordings- und Radiosplittern versetztes Album. Seine an verschiedenen Drumstyles der Welt geschulte Technik benötigt keine bei Kollegen zu erwartende Hyperdramatik, seine westafrikanische Polyrythmik untermischt mit Gamelan Elementen geben „Loop Current / Raft“ eine tranceartige Grundstruktur die so noch stundenlang weiter mäandern könnte. Durch die Geburt seines Kindes nur mit wenig, dann aber schnell zu nutzender Zeit behaftet, machte sich der erklärte Fan des japanischen Onkyo Movements, eine in den Neunzigern enstandene, eher an der Emphasis als an der Struktur interessierte Improvisationstechnik, immer wieder auf zu kurzen Recording Sessions. Diese ursprünglichen und nahezu rohen Elemente, sowie Weis‘ Wurzeln im westlichem Indie / Experimental Underground ergeben den starken Reiz des Albums.

Jean-Claude Vannier

Jean-Claude Vannier.
Electro Rapide.
Finders Keepers Records.

Ihren 50sten Release feiert das aus Manchester stammende Label Finders Keepers Records mit einer Sammlung instrumentaler Arbeiten des Orchestral Pop Komponisten Jean-Claude Vannier. Das sich selbst als „accidental world music label with a punk aesthetic“ bezeichnende Imprint beweist mit „Electro Rapide“ erneut spitznasige Finesse, um mit den Arbeiten des Wegbegleiters Serge Gainsbourgs bis in die heutige Zeit stilprägende, französische Einflüsse aufzuzeigen. Die beiden berühmten Tracks „Histoire De Melody Nelson“ und „L’Enfant Assasin Des Mouches“ mit Gainsbourg sind hier nicht enthalten, vielmehr werden Stücke vor und während der Zusammenarbeit mit dem segelohrigen Monument präsentiert, darunter experimentelle Arbeiten für Ballett, Fashion Shows oder Film. Der 1943 geborene Autodidakt Vannier ist DER Vertreter des Gallo Pops der Siebziger und bis heute reichhaltiges Samplearchiv interessierter Kuriosaräuber. Hier kann man ihn pur und mit raren Beispielen erleben.

Nils Frahm

Nils Frahm.
Felt.
Erased Tapes.

Nils Frahms dritter Solorelease auf Erased Tapes zeigt einen gereiften, keinesfalls aber gealterten Künstler. Seine weiterhin jungenhaft suchenden, positivistischen und hoffnungsdurchwachsenen, pianobasierten Kompositionen treiben, mit wenigen, dezent eingesetzten anderen Instrumenten unterlegt, wie Staub im Sonnenlicht, vergänglich und ewig zugleich. Der wohl schier grenzenlosen Freundlichkeit des Pianisten ist darüberhinaus ein überraschendes, neuartig klingendes Hörerlebnis zu verdanken. Frahm, der seine Nachbarn in seinem Berliner Studio nicht allzu sehr mit seinem Spiel belästigen wollte, dämpfte sein Instrument mit Filz und spielte das Album mit sanftem Anschlag ein. Die dem Piano sehr nahe beigestellten Mikrofone nahmen dementsprechend sämtliche mechanischen und menschlichen Nebengeräusche mit auf, ein ansonsten unliebsamer Effekt, den Andere so wohl unterbunden hätten. Nicht so Frahm der diese subtilen, rhytmustreibenden Auralunliebsamkeiten gewitzt und spielerisch, umtriebig interessiert in seine Arbeit integrierte. „Felt“ ist auf beeindruckende Weise selbstvergessen, ein graziles, an die filmischen Arbeiten der Quay Brothers erinnerndes, mechanisches Menschmaschinen Wunderwerk.

Jóhann Jóhannssonn

Jóhann Jóhannssonn.
The Miners‘ Hymns.
Fat Cat.

Extrem gefühlsgeladene und bildreiche Musik zum gleichnamigen Film von Bill Morrison, aufgenommen in der Durham Cathedral im Herbst 2010. Wer dem weiterhin schwer entzifferbaren Genreumhängeschildchen Neo-Classical noch den Begriff „cinematografisch“ beihängen möchte, tut gut daran dieses sprachliche Hilfskonstrukt nicht allzu vollmundig zu verwenden. Wird diese sogenannte Gattung wiederum als Score genutzt dreht sich der Sinn, die Dopplung verstärkt die verbale Unschärfe. Zurück zum Werk. Jóhannssonns meisterliche zweite Arbeit für die Filmbranche zeichnet mit drückend vorgetragenen Emotionen und im wahrsten Sinne des Wortes atemraubender Schwere die Welt der Bergarbeiter nach. Drei Ebenen kämpfen hier in harmonischem Wechsel. Die schwelende, beständig in den Abgrund ziehende Elektronik, mit schwerer orchestraler Unterstützung auf der einen Seite, die gedämpft hoffnungsvollen, nur selten triumphierenden Bläser, die dem Berg das Erz abtrotzenden Minenarbeiter darstellend, auf der Anderen. Über und hinter dem Ganzen die Orgel, das Requiem, der Tod, die trauernden Hinterbliebenen. Man muss nicht selber aus einer Bergarbeiterfamilie stammen um die bewegende Tiefgründigkeit von Jóhannssonns neuesten Album zu verstehen und mitzufühlen. Der letzte Track „The Cause Of Labour Is The Hope Of The World“ lässt den Hörer wieder ans Tageslicht kommen, die vormals trauernde Orgel wird zum Symbol eines neuen anbrechenden Tages. Der Mensch hat den Kampf gewonnen, trotz all seiner Verluste. Diese Jahrhunderte alte Industrieform aber ist am Sterben, zumindest hier im Westen.

Various

Various.
DJ Kicks: Scuba.
!K7.

Gut gedachter und gemachter, deeper Mix von Paul Rose aka Scuba für das !K7 Imprint
und deren nun seit 1995 laufender DJ Kicks Serie. Der aus London stammende, mittlerweile nach Berlin umgezogene Hotflush Mastermind verbindet fingerflink den Sound der beiden Städte. Die 32 Stücke beinhaltende Tracklist umfasst schön rund und konstant zehenkitzelnd Takes von George FitzGerald, Recloose, Sigha und Sepalcure, um nur einige wenige zu nennen. Als Blueprint für seine Arbeit hier dienen die Sets von Rose im Berliner Berghain. Wer als letzter am Abend auflegt, so der Artist, hat grössere Freiheit im Mixen von Styles; die Leute auf dem Floor bleiben bei dir. Dieses sich langsam im Tempo runterschraubende Stay-Feeling springt auf diesem Release gekonnt über. Rose, dessen eigene musikalische Linie sich, vom Techno kommend, über Drum’n’Bass bis hin zu dem von ihm mitgeprägten Dubstep spannt, weiss genau was er tut.  Am Ende drücken selbst sitzend hörend die Sneakers. Der Begiff Sofatanzen stammt nicht von mir, aber die schon erwähnten Zehen sind eindeutig angeschubbert. Wohliges Danke hierfür …

Sepalcure

Sepalcure.
Love Pressure Remixed.
Hotflush Recordings.

Drei Tracks der phänomenalen Sepalcure 12″ „Love Pressure“ in den Händen von XI, Falty DL, Jimmy Edgar, Daedalus und Lando Kal. Travis Stewart und Praveen Sharma aka Sepalcure, deren Crossover aus HipHop, House und Dubstep auf „Love Pressure“ letzten Sommer schon das Dach durschossen hat, gibt diese Floorveredelung der renomierten Herren nochmal richtig Stoff für eine weitere Erdumrundung. Wenn der Sommer schon nicht so richtig kommen mag, so könnte er auf jeden Fall klingen.

Samiyam

Samiyam.
Sam Baker’s Album.
Brainfeeder.

Los Angeles Producer Sam Baker aka Samiyam presst 40 Minuten minimale HipHop Downtempo Instrumentals auf sein Debütalbum. Seit seiner 2008er EP „Return“ veröffentlicht er ansatzweise verkopfte und dennoch schwer funkige 8bit Elektronik, ein stark auf die Ästhetik Dilla’s und Madlib’s fokusierter Protagonist der zweiten Generation. Sosehr alle 17 Tracks auch auf die brillante technische Meisterschaft des Produzenten verweisen, fehlt hier spätentens nach der Hälfte des Albums zusehens der musikalische Blick über den eigenen Tellerand. Hierbei geht es nicht um die zusätzliche Vermengung von Stileinflüssen; Soul, Funk und eine Vielzahl anderer Soundpräziosen finden reichlich Eingang in diese delikate Soundsuppe. Vielmehr gerät die Machart des Gemenges in der massiven Aneinanderreihung zum starren Prinzip, ein Track aus diesem Album in einem Mix ist ein gaumenschmeichelndes Feuerwerk, immer wieder aber das Gleiche essen zu müssen tötet den Geschmacksnerv und aktiviert die inneren Abwehrmechanismen.

Jasmina Maschina

Jasmina Maschina.
Alphabet Dream Noise.
Staubgold.

Traumhafte, intelligent gewirkte Mischung aus Folk, Ambient und Elektronika. Die Australierin Jasmine Guffond aka Jasmina Maschina gleitet leichtflüglig über Musikgeschichte und Stile, ansatzweise mit Múm vergleichbar. Guffond’s Kompositionen hingegen sind zarter strukturiert, weniger die verstörungssehnsüchtigen Pfade der Isländer suchend, näher an der eigenen Auflösung als an der Irritation des Hörers interessiert. Ihre brüchigen, mit wenigen prägnant gesetzten Gitarrenchords gehaltenen Songgebilde spielen mit Vorbildern der späten Sechziger und Elementen von Art School Rock, darüber, dahinter im Wechsel ihre Stimme, gejagt von subtil nebeliger Ambience und ihrer eigenen Sehnsucht.