Franz Kirmann – Interview

von | Nov 28, 2016 | Allgemein, Archiv 2016 | 0 Kommentare

franz_kirmannWenn der Fuchs die Gans gestohlen hat, gibt er sie nicht wieder her.
Oder etwa doch? Ein Interview mit dem Herrn der Knöpfe Franz Kirmann.

Mit Hilfe intelligenter Technologie und einem weiten musikalischen Horizont bringt der Franzose Francois Kirmann Gamaury aka Franz Kirmann sein Mischpult mächtig zum Glühen. Nicht nur die Blamage bei der letzten Olympiade, auch andernorts lacht die Welt über die Herren der Lüfte, deren sanfte Fingerpantomimen zwar schick anzusehen, bei genauerer Betrachtung allerdings keinen echten Regler berühren. Franz Kirmann ist da deutlich handfester. Ambient, Noise, Modern Classical, Kirmann schiebt mit erstaunlich erfrischenden Ergebnissen alles durch seine Kanäle. Nach dem Auftritt seines Projektes Piano Interrupted im Berliner Radialsystem hatten wir die Chance zu einem Interview.

Raa – Du gehst mit deinem aktuellen, auf Denovali erschienen Soloalbum „Elysian Park“ auf Tour, Hamburg und Berlin sind die beiden deutschen Stationen. Piano Interrupted, deiner Kollaboration mit dem Pianisten Tom Hodge konnten wir gerade hier im Radialsystem lauschen. Was sind die Gemeinsamkeiten, die Unterschiede dabei?

FK – Da sind grosse Unterschiede. Die „Elysian Park“ Shows sind eher konzeptionell, näher an einer Kunstinstallation mit Live Visuals. Diese sind ein wichtiger Part und meine Performance ist eher ein DJ Set, bei dem ich Teile des Album präsentiere. Bei Piano Interrupted verwende ich den Mixer eher als voll integriertes Live Instrument.

Raa – Was ist deine Rolle bei Piano Interrupted?

FK – Bei diesem Projekt ging es immer um den Dialog zwischen der traditionellen, analogen Welt, hauptsächlich Tom Hodge am Piano und meiner digitalen Bearbeitung davon. Die Interaktion dieser beiden Welten bildet die Kernidee, bei der wir je nachdem andere Musiker hinzubitten, im aktuellen Fall den Kontrabassisten Tim Fairhall.

Raa – Du mischt die Sounds deiner Musiker, sie sind sozusagen lebendiges Vinyl?

FK – Ja hauptsächlich die Piano- und Klarinettensounds von Tom. Diese werden von mir editiert und teilweise mit vorfabriziertem Material unterlegt, das ich ebenfalls live bearbeite.

Raa – Im Gegensatz zu einer klassischen elektronischen Performance, nennen wir jetzt einfach mal Rick Smith von Underworld, reagieren die Musiker wiederum auf deine Arbeit – ein Zwiegespräch entsteht. Wie beim Jazz?

FK – Genau. Wir haben eine Weile gebraucht den Computer und die ganzen Mixitools zu einem echten Instrument zu wandeln. Tom und Tim haben tatsächlich einen starken Jazzhintergrund bei dem der Dialog die Musik erst lebendig macht. Ich komme eher aus der von dir erwähnten elektronischen Welt, die Verbindung beider Vorgehensweisen war ein langer Prozess.

Raa – Das heisst, deine Auftritte mit Piano Interrupted sind Mixing, Remixing und, um einen oldfashioned klingenden Begriff zu gebrauchen, die Einspielung von Originalsounds in einem?

FK – Es ist unmöglich unsere Studioalben live zu spielen, für die Bühne müssen wir unser Ausgangsmaterial fast komplett umbauen. Dieses Umarrangieren wiederum legt neue Ideen nahe… und so weiter… Im Studio ist die Bearbeitung der ursprünglichen Pianoaufnahmen teilweise ein sehr komplexer Vorgang. Die Entscheidung, ob man die schon „fertigen“ Parts mit in die Performance integriert, die gesamte musikalische Wirkung damit entscheidend in eine bestimmte Richtung zieht oder eben auch nicht, ist grundsätzlich mit der Frage verbunden, was meine beiden Musiker live einspielen, das ist immer sehr dynamisch.

Raa – Die klassische Jazz Performance hat ihre besten Momente in der Improvisation über Standarts. Gibt es da Paralellen, kreiert ihr eine neue Synthese?

FK – Ich weiss nicht ob das neu ist, aber der Jazz spielt hier, wie du schon sagst, eine entscheidende Rolle. Genau da wollen wir mit Piano Interrupted hin. Wir nehmen das Thema eines Stückes, die DNA sozusagen, als Ausgangspunkt und improvisieren darüber. Andere elektroakustische Live Auftritte im sagen wir mal Ambient / Drone Bereich sind da weniger lebendig. Mir erscheint dass diese Genres nicht komplett die vorliegende Basiskomposition ändern können, so wie wir.

Raa – Wie verhindert ihr als Non-beat-basierte Formation die Gefahr nerdiger Endlosmasturbanz auf der Bühne?

FK – (lacht) Ich komme, wie schon erwähnt, eher aus der Ambient / Drone / Dance Ecke, die mit gut eingesetzter Wiederholung einen sinnvollen Tranceeffekt aufbauen kann. Tom wollte durchaus Elemente davon in unser Projekt mitaufnehmen, diese aber transformieren und eine neue musikalische Sprache entwickeln. Bei unseren ersten Auftritten hatten wir noch die Tendenz mit rasch wechselnden Sets sehr lebendige Strukturen bilden zu wollen. Mit der Zeit hat sich das geändert und ich glaube wir finden jetzt die richtige Balance. Das braucht Erfahrung, wir besprechen jetzt jeden Gig gemeinsam, ob und wo wir rumgedudelt haben, oder doch noch zu schnell waren.

Raa – Zeitgenössische DJ Kultur scheint sich gerade in diesen Endlossets ziemlich erschöpft zu haben. Ist der Beat tot?

FK – Ich denke nicht. Wir arbeiten immer wieder mit Beats, waren aber von unseren ersten Tagen an eher auf den Flow fixiert, mit oder ohne rhythmische Unterstützung. Wir spielen auch eher leise, das zieht die Aufmerksamkeit des Publikums eher auf sich, wir ertränken unsere Zuhörer nicht in Sound. Mein Problem mit elektronischen Beats ist dass man immer genau hören kannst in welcher Zeit sie produziert wurden, Trip Hop / Jungle / Drum’n’Bass, alle verraten sich durch den Sound der Beats.
Das ist ein klein wenig so wie bei altbackenen Special Effects bei älteren Filmen.

Raa – Kannst du dir vorstellen deine Mixer / Computer Schnittstelle noch mehr zu einem Instrument auszubauen? Oder gibt es da Grenzen?

FK – Hum, ich weiss nicht. Gerade bei Piano Interrupted eher nicht, Tom und Tim sind im Gegensatz zu mir sehr gute Musiker (grinst). Unser Gruppenname verrät ja die Idee, Tom spielt Piano und ich bin der Interrupter (Unterbrecher klingt da eher merkwürdig – Raa) Grundsätzlich interssiert mich die Idee. Das hängt natürlich auch von der zukünftigen Entwicklung meiner technischen Tools ab. Ich mag es andererseits auch sehr gerne nicht selbst „einzuspielen“. Auf meinem aktuellen Album „Elysian Park“ ist alles nur aus durch Manipulation generierte Samples komponiert.

Raa – Franz, vielen Dank für das Gespräch.

Franz Kirmanns Album „Elysian Park ist aktuell bei Denovali erschienen.
https://denovali.com/franzkirmann/

Zu hören ist dieses Album live
am 10. Dezember im Golem, Hamburg
und am 11. Dezember im Roten Salon, Berlin.

raabe