Loop + Loop + Loop +

von | Feb 24, 2016 | Allgemein, Archiv 2016 | 0 Kommentare

loop-k2Play it again, Sam !!!
Segen und Fluch der Wiederholung.

Zuviel, viel zuviel Gestern im Heute und wenig, bis gar kein Morgen. Die postmoderne Tragödie labt sich nun schon im fünften Jahrzent an der traurigen Leier um Stillstand und Verzagen. Das Neue bedient sich beflissentlich am Alten, der Kreis scheint geschlossen. Zwei Bücher beleuchten nun, wie sich die erschlappte Moderne in den Schwanz beisst.

Zugegebenermaßen, das Kleinkind lernt an Wiederholungen, wächst am Kopieren der Erwachsenen. Was aber, wenn das Kindchen dann selber gross und die x-te Repetition des einst Vielgeliebten zum öden Wiederkau verkommt? Tilmann Baumgärtels Buch „Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops“ schafft hier Abhilfe. Letzten Sommer erschienen, behandelt die Schrift des Mainzer Medientheorieprofessors künstlerische Auseinandersetzungsstrategien mit der Schleifenform. Das Who-is-who musikalischer Innovation wird hier entsprechend des jeweiligen technischen Entwicklungsstandes vorgestellt. Pierre Schaeffer, Karlheinz Stockhausen, La Monte Young, Terry Riley und Steve Reich übten sich an der freudvollen Wiederholung und sind, so Baumgärtel, die Urväter modernen Musikschaffens. Der Ausflug in die Frühphase des Loops als wirkmächtige Einflüsse auf zeitgenössische Sampletechniken, nicht nur bei Hip-Hop oder Techno, sondern auch in den Sparten Pop und Rock, ist umfangreich recherchiert und macht sehr neugierig, die jeweiligen Produkte erkundend nachzuhören. Leider gelingt es dem Autor nicht immer den Ton zu halten. Zwischen geisteswissenschaftlicher Strenge und repetetiver Anekdotenreihung tänzelnd, inszeniert er, bewusst oder nicht, den Loop selbst zur Rhytmik seines Schreibens, was die grundsätzlich schöne und wichtige Idee seiner Arbeit wellenartig mit mächtigen Längen und Doppelungen überdeckt.
Die Veröffentlichungen können in Bauart und Denkansatz nicht unterschiedlicher sein. Die kritische Aufarbeitung zeitgenössischer Phänomene bringt an verschiedensten Orten Licht ins postmoderne Dunkel.

Während den Einen das Abspielen der ewig gleich scheinenden Platte in rauschhafte Verzückung versetzt, ist die geschichtliche Endlosschleife für den Anderen eine bittere Pille des Verharrens. Der Loop als gesellschaftliche Auseinandersetzung wird bei Daniele Gigliolis Essayband „Die Opferfalle. Wie die Vergangenheit die Zukunft fesselt.“ zum Thema. Aktuell auf dem Buchmarkt, eröffnet uns der Dozent für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bergamo, eine sowohl spannende als auch erschreckende These. „Wir sind nicht was wir tun, sondern was wir erlitten haben, was wir verlieren können, was uns genommen wurde.“ Giglioli sieht die Opfer als Helden unserer Zeit, eine Position die absolute Immunität gegenüber jeglicher Kritik verleiht, mit gleichzeitiger Garantie erhabener Unschuld. Für den Autor sind dies die Schalthebel der Macht. Im Gegensatz zu Kants aufklärerischen Forderung „Gehe aufrecht, befreie dich aus der Unmündigkeit“ schliesst das Opfer jegliche Vision der Zukunft aus, die Wiederholung der Vergangenheit im Blick. Gigliolis Untersuchung der Opfermythologie greift geschichtlich weit, umfasst den kriegstreibenden Wahn des Dritten Reiches, die Krisen im Nahen Osten und die Folgen der Terroranschläge am 11. September 2001. Das Opfer ist der Chef am Tisch, seine Handlung unbestrittenes Gesetz. Wer hier wiederspricht kann nur verlieren. Fein ummäntelt mit Zitaten kongruenter Analytiker wie Christopher Lasch, Richard Sennett und Umberto Eco, begeht Giglioli bewusst nicht den Fehler, Lösungsvorschläge aus der von ihm angesprochenen Misere anzudenken. Seine Intention findet sich dezent versteckt als Widmung im Anhang. Immanuel Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung“ birgt für ihn noch immer, oder wieder, Anlass zum Denken, zum Umdenken. Eine winzige Schwäche begleitet auch diesen Text. Einige der angesprochenen Sachverhalte sprechen aktuelle Kulturgeschehnisse in Italien an, für den deutschen Leser nicht direkt nachvollziehbar. Dem Lesevergnügen an der sehr direkt am Punkt geschriebenen Kritik tut dies dennoch keinen Abbruch.

Tilman Baumgärtel: Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops.
Kadmos Verlag, Berlin 2015; 352 S., 24,90 €

Daniele Giglioli: Die Opferfalle.Wie die Vergangenheit die Zukunft fesselt.
Matthes & Seitz, Berlin 2015; 127 S., 14,90 €

raabe